Stellungnahme und Forderungen des Landkreises Lüchow-Dannenberg nach Abschluss der Arbeit der Endlager-Kommission

Der Kreistag sieht sich mit dem Abschlussbericht der Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfallstoffe in seiner Argumentation der Stellungnahme vom 20.6.2016 bestätigt und bekräftigt diese ausdrücklich.

Insbesondere hat es die Kommission versäumt, konstruktive Vorschläge in Bezug auf das derzeit drängendste Atommüllproblem bei der Zwischenlagerung aller Arten radioaktiver Abfälle zu machen und hierzu die an den Zwischenlagerstandorten betroffene Öffentlichkeit ergebniswirksam mit einzubeziehen. Konkrete Konzepte und Kriterien zur sicheren Aufbewahrung des Atommülls bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers angesichts ablaufender Genehmigungen sowohl der Zwischenlager als auch der Lagerbehälter, sowie neuer Bedrohungsfaktoren, ist die Kommission schuldig geblieben.

Grundsatzfragen, ob ein Endlager in tiefen geologischen Formationen überhaupt die relativ beste Lösung darstellt oder ob ein oder mehrere derartiger Endlager für die verschiedenen Arten hochradioaktiver Abfälle erforderlich oder sinnvoll sein werden, wurden nicht mit der breiten oder betroffenen Öffentlichkeit diskutiert und bleiben auch nach zweieinhalb Jahren Kommissionsarbeit ungeklärt. Ebenso sind Konzepte für den Verbleib von schwach- und mittelradioaktivem Müll, sowie des sogenannten „freigemessenen“ Atommülls ausgeblieben. Für Konzepte der Rückholbarkeit und Bergbarkeit von Atommüll aus einem Endlager wurden nicht nur keine Kriterien für die verschiedenen potentiellen Wirtsgesteine erarbeitet, sondern gar nicht erst Definitionen erstellt.

Weder eine Mindestanzahl zu untersuchender Standorte pro Wirtsgestein, noch die untertägige Erkundung aller potentiellen Wirtsgesteine wurden verbindlich vorgeschrieben. Vor diesem Hintergrund kann eine gleichwertige Untersuchung von potentiellen Endlagermedien kaum erfolgen, vielmehr bleibt das jahrzehntelange Präjudiz der sogenannten „Endlagerforschung“ in Salz bestehen.

Obwohl der Standort Gorleben bei Anwendung der Kriterien der BGR-Salzstudie von 1995 noch nicht einmal in die engere Auswahl überhaupt untersuchungswürdiger Salzstöcke gelangt wäre, wird er nun durch die Vorfestlegung des Standortauswahlgesetzes (StandAG) im Suchverfahren bis zur untertägigen Erkundung (Phase II) durchgeschleppt und gelangt so allen vorgefundenen geologischen Schwächen zum Trotz bis in die Endausscheidung. Eine „weiße Landkarte“ im Sinne gleichwertiger Betrachtung geologischer Formationen liegt somit nicht vor. Gorleben gerät stattdessen mindestens zum Referenzstandort, obwohl dies die Bundesumweltminister Herr Röttgen, Herr Altmaier und Frau Hendricks bei ihren Besuchen im Wendland stets ausgeschlossen hatten. Der Kreistag sieht sich aber darüber hinaus in seiner großen Sorge bestätigt, dass durch Anpassung oder Aufweichung von Kriterien und willkürliche Aufwertung verschiedener Faktoren, wie geotechnischer Barrieren, der geologisch ungeeignete Standort jederzeit nachträglich legitimiert werden kann. Der Kreistag Lüchow-Dannenberg fordert in diesem Zusammenhang insbesondere das verbindliche Kriterium eines redundanten Mehrbarrierensystems über das Konzept des einschlusswirksamen Gebirgsbereiches hinaus.

Die Legalplanung des StandAG, wonach der Deutsche Bundestag sowohl über Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen, Abwägungskriterien sowie die weiteren Entscheidungsgrundlagen, als auch über die Auswahl eines Standortes per Gesetz beschließt, öffnet einer politischen Entscheidung Tür und Tor. Nicht überprüfbaren wissenschaftlichen Abwägungskriterien, sondern temporären Mehrheitsverhältnissen kommt damit die entscheidende Rolle bei der Endlagerauswahl zu. Gleichzeitig sind die gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten betroffener Menschen und Regionen gegenüber Bundestagsentscheiden von Gesetzesrang stark eingeschränkt. Der Kreistag Lüchow-Dannenberg fordert deshalb mindestens einen im StandAG verbindlich verankerten Rechtsschutz für BürgerInnen, Grundeigentümer und Gebietskörperschaften nach jeder Phase des Verfahrens.

Das Konzept von „Zufallsbürgern“ für ein Nationales Begleitgremium lehnt der Kreistag Lüchow-Dannenberg ab. Ausgerechnet die wichtigste gesellschaftliche Gruppe wird hier durch willkürlich gewählte Unbeteiligte repräsentiert, anstatt auf die in Jahrzehnten gewachsene zivilgesellschaftliche Kompetenz der Anwohner von Atommülldeponien zurück zu greifen. Nationales Begleitgremium, Regionalkonferenzen und Rat der Regionen sind zahnlose Tiger ohne Kompetenz und verbindlichen Einfluss. Der Kreistag Lüchow-Dannenberg fordert aber vielmehr, sie als unabhängige Institutionen mit eigenem Budget und gesetzlich verankerten Rechten im Verfahren, insbesondere Vetorechten, auszustatten.