Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Vorsitzender Sauter lässt über den Antrag der Verweisung des Tagesordnungspunktes in den zuständigen Fachausschuss abstimmen.

 

Der Tagesordnungspunkt wird in den zuständigen Fachausschuss verwiesen.

Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde abgelehnt: Ja-Stimmen: 15  Nein-Stimmen: 15  Enthaltung: 1

 

 

Vorsitzender Sauter lässt über den Antrag der Gruppe X abstimmen.

 

Abschlussbericht der Endlagerkommission:

eingeholt von den Schatten der Vergangenheit, Stillstand statt Neuanfang.

 

Mit dem umstrittenen Standortauswahlgesetz (StandAG) haben die CDU/ CSU, FDP, SPD und die Grünen in Bundestag und Bundesrat kurz vor des Bundestagswahl 2013 ein Verfahren zur Auswahl eines Endlagerstandortes in Deutschland für insbesondere hochradioaktive Abfälle gegen die massive Kritik aus der Gesellschaft, von Umweltverbänden, Standortinitiativen und auch dem Kreistag Lüchow-Dannenberg beschlossen.

Schon 2002 hatte ein „Arbeitskreis Endlager“ (AK-End) Kriterien zur Lagerung von hoch radioaktivem Müll erarbeitet, die sich mit dem Endlagermedium Salz beschäftigten. Ein wesentliches Element im Konzept des AK-End war die Forderung, einen gesamtgesellschaftlichen Konsens herzustellen. Es bestand kein Zweifel, dass ohne diesen Konsens jeder weitere Schritt in einem Verfahren zur Lagerung von Atommüll zum Scheitern verurteilt sein würde. Das jetzige StandAG fällt weit hinter die Erkenntnisse des AK-End zurück, denn es ignoriert wissentlich die Forderung nach einer vorherigen breiten gesellschaftliche Grundsatzdebatte über den Atomausstieg und zum Umgang mit dem gesamten Atommüll.

Erst nachträglich wurde die auf Forderung von Niedersachsen eingerichtete „Endlagerkommission“ damit beauftragt, das Gesetz noch einmal zu evaluieren, Änderungen vorzuschlagen und Auswahlkriterien zu erarbeiten. Zentraler Dissens war dabei der Umgang mit bestehenden Endlagerprojekten und 40 Jahren interessengeleiteter Endlagerforschung, also ganz konkret mit dem politisch motivierten und willkürlich ausgewählten Standort Gorleben. 

 

Der Kreistag Lüchow-Dannenberg stellt fest:

        Das Thema Gorleben wurde nicht streitfrei gestellt, sondern hat sich – offen oder verdeckt – als Dissens durch die gesamte Debatte gezogen. Es erweist sich als Ding der Unmöglichkeit, abstrakte Kriterien mit einem konkreten Standort vor Augen aufzustellen.

        Das schwerwiegende Versäumnis, die Fehler der Vergangenheit und Gegenwart nicht aufgearbeitet und das gefährliche Abenteuer Gorleben nicht beendet zu haben, holt die Kommission an ihrem Ende wieder ein.

 

Indem die Kommission den vom Bundestag gesetzten viel zu kurzen Zeitrahmen akzeptiert hat, hat sie sich auch damit abgefunden, den Diskurs über den geforderten verlässlichen Einschluss hochradioaktiven Atommülls über mehr als eine Million Jahre auf die Rekapitulation von 40 Jahren Endlagerforschung, und damit einer Forschung insbesondere in Salz und insbesondere am Standort Gorleben zu beschränken. Kein anderer Standort in Deutschland weist eine derartige Untersuchungstiefe auf. Nahezu alle beteiligten Institute und Behörden haben ihre Betrachtungen, und damit auch Anforderungen und Kriterien über Jahrzehnte an die im Salzstock Gorleben-Rambow vorgefundenen Ergebnisse angepasst.

 

      Der Kommission ist es nicht gelungen, die gesellschaftlichen Verständigungsaufgaben zum Umgang mit dem Atommüll zu identifizieren.

      Die Kommission hat noch nicht einmal einen Zwischenbericht vorgelegt.

      Trotz der desaströsen Erfahrungen mit den beiden salinaren Endlagern Morsleben und Asse hat die Kommission Alternativen zu den bisherigen Konzepten tiefengeologischer Lagerung nicht oder nicht angemessen betrachtet.

      Kein einziges der explizit auf Gorleben zugeschnittenen Kriterien, wie den interessengeleiteten Verzicht auf ein wasserundurchlässiges Deckgebirge und damit ein sicherheitsrelevantes geologisches Mehrbarrierensystem oder den Verzicht auf das Ausschlusskriterium von Einbruchseen in Salzstöcken hat die Kommission revidiert.

      Indem sich die Kommission bei ihrer Kriterienempfehlung in weiten Teilen an den Ergebnissen für das Endlagermedium Salz orientierte, die der AK-End ohne Kenntnis der Havarie in der Asse erarbeitet hatte, lässt sie das Desaster des Endlagerversuchsbergwerks Asse völlig außer acht.  Die Kommission verweigert zudem gleichwertige Vergleichskriterien zu den Endlagermedien Granit und Ton.

      Die Kommission hat noch nicht einmal eine Mindestanzahl unterirdisch mit einen Bergwerk zu erkundender Standorte pro Wirtsgestein festgelegt. Ein wissenschaftlich basierter fairer gleichwertiger Vergleich ist auf diese Weise gar nicht möglich; es steigt vielmehr die Wahrscheinlichkeit, dass der Salzstock Gorleben als am Besten erkundete Formation in Deutschland am Ende wieder aus politischen und/oder wirtschaftlichen Gründen gewählt wird.

 

Für die Auswahl, das Konzept und das Design eines Endlagers kommt der Frage der Reversibilität oder Rückholbarkeit eine zentrale Rolle zu. Wie die Erfahrungen an der maroden Asse zeigen ergeben sich dabei im Medium Salz besondere Probleme, obwohl genau dort die Rückholung wissenschaftlich geraten und politisch gewollt ist.

 

      Die Kommission hat die zentrale Frage der Fehlerkorrektur und Rückholung aus einem Endlager nicht angemessen und verantwortungsvoll diskutiert, sondern vielmehr lediglich die zwangsläufige Offenhaltung eines Endlagers in der Einlagerungsphase zur „Rückholbarkeit“ umdeklariert.

      Weder dem Gefährdungspotential hochradioaktiven Atommülls, noch der zeitlichen Dimension von über einer Million Jahre ist diese Trivialität angemessen.

 

Katastrophale Fehlentscheidungen zur atomaren “Entsorgung“ in Deutschland, beispielsweise mit der „Endlagerung“ von Atommüll in Morsleben oder im sogenannten Forschungsendlager Asse wurden nicht durch verantwortliches Behördenhandeln, sondern durch Proteste der Anwohner, politische Interventionen und insbesondere durch Klagen gestoppt; zentrale Grundsätze, wie dynamische Schutzstandards oder Terrorschutz durch das „Kalkar-Urteil“ oder das „Brunsbüttel-Urteil“ verbindlich gemacht. Nicht einer zentralen Superbehörde, wie dem „Bundesamt für kerntechnische Entsorgung“ (BfE), sondern qualifizierter Bürgerbeteiligung, substantiellen Klagerechten und gerichtlicher Überprüfbarkeit kommt somit eine wesentliche Kontrollfunktion auf dem Weg zu einem verlässlichen Einschluss des Atommülls zu.

Das Standortauswahlgesetz sieht dagegen mit der „Legalplanung“, also den Standortentscheidungen der jeweiligen Erkundungsschritte per Gesetz im Bundestag, eine eklatante Schwächung der Klagemöglichkeiten und Klagerechte von Verbänden und Anwohnern vor. Es dient somit nicht der Absicherung der relativ besten Entscheidung, sondern der zügigen Durchsetzung einer bereits durch Behörden getroffenen Standortwahl gegen die Betroffenen.

 

      Die Kommission hat die Legalplanung nicht revidiert und somit die Rechte von betroffenen Anwohnern, Regionen und Verbänden nicht gestärkt, sondern entscheidend geschwächt.

      Die Kommission hat damit nicht die Sorgfalt und die Sicherheit der Atommülllagerung in den Fokus gestellt, sondern die Beschleunigung des Verfahrens.

 

Ergänzend zu gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten kann auch qualifizierte Öffentlichkeitsbeteiligung dazu beitragen, öffentliche Kontrolle zu optimieren und Verfahrensfehler zu minimieren. Besonders in dem extrem langwierigen und schwerwiegenden Konflikt um die kommerzielle Nutzung der Atomkraft ist die Beteiligung der kritischen Öffentlichkeit dringend geboten. Dafür ist es aber unerlässlich, Beteiligungsverfahren und -inhalte auf Augenhöhe auszuhandeln und ein Innehalten zur Fehlerkorrektur im Verfahren zuzulassen.

 

      Die Kommission hat die Öffentlichkeit weder frühzeitig, noch angemessen beteiligt.

      Die Kommissionsvorschläge beschränkten sich auf  rein informelle Anhörungen ohne jede Ergebniswirksamkeit.

      Die Kommission hat die konfliktrelevante Öffentlichkeit nicht erreicht und keine nennenswerten Anstrengungen unternommen, diese zu gewinnen. Die wesentlichen Akteure sind den Veranstaltungen begründet ferngeblieben und wurden einfach durch Fachpublikum und SchülerInnen ersetzt.

      Die Kommission hat keine Antwort darauf erarbeitet, wie die Rechte kommender Generationen in einen langwierigen Such- und Endlagerprozess integriert werden sollen.

      Eine Beteiligung der Öffentlichkeit „von Anfang an“, wie die Kommission für ein Standortsuchverfahren vorschlägt, kann es in Gorleben 40 Jahre nach dem Erkundungsbeginn nicht mehr geben.

      Der Vorschlag für ein „nationales Begleitgremium“ erfüllt nicht die Mindestanforderungen an Kontrolle des Verfahrens und Beteiligung Betroffener.

 

Die zentrale Aufgabe bei einem Verfahren zur Lagerung atomarer Abfallstoffe besteht darin, trotz des  Konflikts zwischen überregionalen Interessen nach Entledigung der Abfälle aus Atomkraftwerken und Zwischenlagern und dem berechtigten regionalen Interesse einer Standortregion, nicht zum Dauerlager dieser Hochrisiko-Stoffe zu werden, zu gewährleisten, dass das relativ sicherste Konzept am relativ besten Standort zur Umsetzung kommt.

      Die Legalplanung durch den Deutschen Bundestag (alternativ: „des Standortauswahlgesetzes) ist nicht dafür ausgelegt, den relativ sichersten Standort auszuwählen, sondern nur den parlamentarisch am schlechtesten vertretenen.

      Mit dem Standortauswahlgesetz kann ein Atommüllendlager auch an einem geologisch hochproblematischen Standort legitimiert und durchgesetzt werden.

      Die jetzt beschlossene deutliche Zeitverlängerung bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers für HAW erfordert die sofortige Erstellung eines neuen Konzeptes für die Zwischenlagerung von HAW, da die Genehmigungszeiträume von Behältern und Lagern wie das TBL Gorleben bei weitem überschritten werden.

 

Mit der Empfehlung der Kommission zur Finanzierung des Kernenergieausstieges (KFK), die sich tatsächlich mit den unkalkulierbaren Kosten nicht des Ausstiegs, sondern der Atomenergie befasst hat, wurde mit der Enthaftung der Energiekonzerne für die Kosten der von ihnen kommerziell produzierten radioaktiven Abfälle das Verursacherprinzip aufgegeben. Dessen, sowie zahlreicher Klagen gegen den Atomausstieg und das Standortauswahlgesetz ungeachtet, haben die Atomkonzerne mit stimmberechtigten Sitzen den Bericht der Endlagerkommission maßgeblich gestaltet. Die fundamentale Kritik von Standortinitiativen, kritischen Umweltverbänden und dem Landkreis Lüchow-Dannenberg als einzigem namentlich genannten potentiellen Standort hat jedoch keinen Eingang gefunden.

 

Der Kreistag Lüchow-Dannenberg fordert die Vertreter gesellschaftlicher Gruppen auf, dem Abschlussbericht der Kommission nicht zuzustimmen.

 

Der Kreistag fordert die Vertreter der Parteien im Bundestag und die Vertreter Niedersachsens im Bundesrat auf, die massive Kritik am Kommissionsbericht und die abweichenden Voten zum Anlass zu nehmen, den Standort Gorleben endgültig aufzugeben und eine breite gesellschaftliche Debatte über den Atomausstieg und eine demokratische Atommüllpolitik zu organisieren.

 

Adressaten   wie üblich bei „Atomstellungnahmen“

 

Abstimmungsergebnis: mehrheitlich beschlossen: Ja-Stimmen: 20  Nein-Stimmen: 11  Enthaltung: 0