Sitzung: 14.02.2011 Kreistag
Beschluss: geändert mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 21, Nein: 1
Vorlage: 2011/015
Sehr geehrter Herr Bundesumweltminister Dr. Röttgen!
Wir freuen uns, dass Sie der Einladung des Kreistages nach Lüchow-Dannenberg
folgen. Aber warum kommen Sie erst jetzt, nachdem die Bundesregierung alle
Entscheidungen getroffen hat?
Wir in Lüchow-Dannenberg wollen mit Ihnen und Ihrer Regierung über eines
der größten Probleme der Menschheit reden: Über hochradioaktiven Atommüll, der
für Jahrtausende tödlich strahlt.
Bereits seit 30 Jahren bemühen wir uns um Gespräche, als Bürger,
Kommunalpolitiker und engagierte Kritiker. In unzähligen Runden, vom
Bürgerdialog Kernenergie bis zum Forum Endlagerdialog. Ständig haben wir den
Dialog mit Politiker/innen, Konzernführungen und Wissenschaftler/innen gesucht.
Sie aber bieten uns lediglich einen „Dialog“ an, der „die
Arbeiten im Salzstock Gorleben begleiten“ soll. Während dort die
Baumaschinen bereits Fakten schaffen. In Ihrem Auftrag.
Ein solcher Dialog kann nichts anderes sein als eine Alibiveranstaltung,
die den Weg zur Durchsetzung eines Atommülllagers in Gorlebens nur garnieren
soll. Einen Weg, der schon 1977 eingeschlagen wurde, und der sich als
gefährliche Sackgasse erwiesen hat. Diesen Weg gehen wir nicht mit.
Herr Bundesumweltminister, wir wollen eine offene und transparente
Debatte über das Atommüllproblem. In ganz Deutschland. Keinen regionalen
Scheindialog.
Die schweren Havarien des Atommüllendlagers im Salzstock Asse haben uns
leider Recht gegeben und sämtliche Experten der Atomkraft-Befürworter innerhalb
kurzer Zeit widerlegt.
Was Sie sagen.
Sie, Herr Minister, sagen: „Wir müssen über die Gräben hinweg ins
Gespräch kommen und dafür sorgen, dass keine weiteren entstehen.“
Was Sie tun.
Statt aus dem Asse-Desaster Konsequenzen zu ziehen, reisst Ihre
Regierung ohne jede Not neue Gräben auf – gerade in Gorleben.
·
Sie verlängern die
Laufzeiten für Atomkraftwerke und vermehren damit allein die endzulagernden hochradioaktiven
Abfälle um 500 Castorbehälter.
·
Sie ordnen per
Sofortvollzug den Weiterbau eines Endlagers in Gorleben an, ungeachtet aller
geologischen Mängel des Salzstocks, und führen damit die Linie jener „Experten“
fort, die auch das Desaster in der Asse zu verantworten haben.
·
Sie bemühen dazu
einen alten Rahmenbetriebsplan aus dem Jahr 1982, um die im heute geltenden
Bergrecht vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung zu umgehen.
·
Sie ändern das
Atomgesetz, um Grundbesitzer über dem Gorlebener Salzstock enteignen zu können.
·
Sie haben längst
eine Sicherheitsanalyse für ein Endlager Gorleben in Auftrag gegeben – mit
„Experten“, die das Asse-Desaster und den Irrweg Gorleben maßgeblich mit zu
verantworten haben.
Wie wollen Sie nach diesem atompolitischen Rundumschlag im Stil der
1980er Jahre „ernsthaft und ehrlich“, ja „ergebnisoffen“ über
Gorleben reden?
Wie soll der von Ihnen angemahnte „gegenseitige Respekt“ und „vertrauensvolle
Dialog“ entstehen, wenn Sie mit juristischen Tricks erst die Öffentlichkeit
aussperren und dann von „maximaler Transparenz“ sprechen?
Gorleben ist nicht Stuttgart21.
Herr Dr. Röttgen, ein Atommüllendlager ist kein Bahnhof! Wir lehnen ein
Mediationsverfahren à la Stuttgart21 mit einem “Dialogbeauftragten” ab.
Das fehlende Deckgebirge des Salzstocks, die Wasserwegsamkeiten, die
vorhandenen Laugen- und Gaseinschlüsse lassen sich nicht wegmoderieren. Die
politisch motivierte Standortauswahl, die fortwährende Anpassung der
Sicherheitskriterien an die vorgefundenen geologischen Mängel des Salzstocks
und die Nichtbeteiligung der Öffentlichkeit in den letzten 30 Jahren lassen
sich nicht wegverhandeln!
Wir sehen das Ende des Standortes Gorleben als Voraussetzung für den
Neubeginn eines verantwortlichen Vorgehens in der ungelösten Atommüllfrage an.
Sie, Herr Dr. Röttgen, sagen, die Bürger des Landkreises
Lüchow-Dannenberg hätten “einen Anspruch darauf, dass die seit Jahrzehnten
ungelöste Standortdiskussion um Gorleben endlich beantwortet wird”.
Wir sagen: Alle Bürger in Deutschland haben einen Anspruch darauf, dass
diese falsche Entscheidung endlich korrigiert wird.
Sie, Herr Minister, sagen: “Sicherheit steht für uns kompromisslos an
allererster Stelle.”
Wir sagen: Ein in erster Linie an Sicherheit orientiertes Vorgehen
beginnt mit dem Ende der Atommüllproduktion und einem schnellstmöglichen
Ausstieg aus der Atomkraft.
Unser Angebot:
Wir sind bereit, unsere Erfahrungen und unser Wissen aus dem
gescheiterten Projekt in Gorleben in eine neue nationale und dem Problem
angemessene Atomdebatte einzubringen.
Sie muss folgende Anforderungen erfüllen:
1.
Alle
Entscheidungen, die seit Beginn der Endlagervorbereitungen in Deutschland
getroffen worden sind, müssen entsprechend des heutigen Standes von
Wissenschaft und Technik überprüft und neu bewertet werden: Wirtsgestein,
Rückholbarkeit, Verzicht auf eine systematische vergleichende Endlagersuche an
mehreren Standorten, Sicherheitsanforderungen u.v.m.
2.
Die Arbeiten
der Untersuchungsausschüsse zur Asse und zu Gorleben müssen abgeschlossen
sein. Erst wenn die Berichte vorliegen und Erkenntnisse und
Entscheidungsfindung der Ausschüsse nachvollziehbar sind, können sie den
notwendigen Beitrag zu den Grundlagen für das weitere Vorgehen mit dem
Atommüllproblem liefern. In einem ersten Schritt sind sämtliche Akten zur
Endlagerung aus allen beteiligten Ministerien, Forschungseinrichtungen und
Firmen schonungslos zu veröffentlichen.
3.
Angesichts der
schockierenden Skandalgeschichte des Endlagers Asse, das als Prototyp für das
Endlager im Salzstock Gorleben betrieben wurde, halten wir es für unabdingbar,
die Kompetenz und Glaubwürdigkeit der Beteiligten, die zu Asse und zu Gorleben
Verantwortung tragen, zu überprüfen. Die Verantwortlichen müssen auch straf-
und zivilrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden.
4.
Die
Empfehlungen des Arbeitskreises Endlager für eine Standortsuche sind vor dem
Bekanntwerden der Havarie im Atommüllendlager Asse formuliert worden. Sie
müssen auf der Grundlage der Ergebnisse der Punkte 1-3 überprüft werden.
5.
Die Instrumente
und Regeln einer nationalen Debatte zum Umgang mit dem Atommüll werden zwischen
Regierung, Parlamenten und Bürgern in einem transparenten Verfahren gemeinsam
festgelegt.
Herr Minister, heben Sie den Sofortvollzug
zum Weiterbau des Endlagers in Gorleben auf!
Nehmen Sie die Enteignungsgesetze gegen
Grundeigentümer zurück!
Reden Sie nicht von Verantwortung – handeln
Sie verantwortlich!
Geben Sie Gorleben auf!